Oppenheimer Platz

Altes Schloss

Joseph Ben Issachar Süßkind Oppenheimer, genannt Joseph Süß Oppenheimer, wird um 1698 in Heidelberg geboren. Er stammt aus einer jüdischen Handelsfamilie. Über seine Kindheit und Ausbildung ist wenig bekannt. 1732 lernt er den zukünftigen württembergischen Herzog Karl Alexander im Kurort Wildbad im Nordschwarzwald kennen. Bevor Oppenheimer in den Dienst Karl Alexanders tritt, arbeitet er bereits in der Kurpfalz als Hoffaktor.

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© Württembergische Landesbibliothek, Karten und Grafische Sammlungen

Porträt von Joseph Süß Oppenheimer auf einer Schmähschrift, 18. Jahrhundert

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© Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Liste der geliehenen Geldsummen Oppenheimers an Herzog Karl Alexander, 1735

Das Amt eines Hoffaktors übernehmen im Absolutismus oft Jüdinnen und Juden. Aufgrund der diskriminierenden Politik gegenüber Menschen jüdischen Glaubens bleiben ihnen nur wenige Berufsmöglichkeiten. Als Hoffaktoren fungieren sie als Kaufmänner im Dienst der Fürsten, finanzieren Militärausgaben, handeln mit Luxusgütern und vergeben Kredite.

Vor seinem Regierungsantritt als württembergischer Herzog lebt Karl Alexander in Wien. Dort tritt er 1717 zum katholischen Glauben über. 1733 zum Herzog ernannt, strebt Karl Alexander an, das Mitspracherecht der in Württemberg mächtigen Landstände in politischen Fragen zu beschneiden und sich als absolutistischen Alleinherrscher zu etablieren. Die Landstände setzen sich in der Frühen Neuzeit aus geistlichen und bürgerlichen Vertretern zusammen. Sie kommen aus der bürgerlichen Elite des Landes und besitzen Mitspracherecht, zum Beispiel bei der Steuerpolitik. Der Herzog muss gemeinsam mit ihnen Politik machen.

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© Universitätsbibliothek Tübingen

Herzog Karl Alexander von Württemberg, 1733

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Karl Alexander verlegt seinen Regierungssitz von Ludwigsburg wieder ins Stuttgarter Stuttgart, heute das Alte Schloss genannt.

Mit seinem Hoffaktoren Joseph Süß Oppenheimer möchte sich Karl Alexander aber finanzpolitisch von den Landständen unabhängig machen und Württemberg zu einem absolutistischen Staat umwandeln. Damit Oppenheimer sich als Jude in Stuttgart ansiedeln darf, steht er unter dem persönlichen Schutz von Karl Alexander.

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© Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Schutzbrief für Joseph Süß Oppenheimer, ausgestellt von Herzog Karl Alexander, 1732

Turmstraße

Oppenheimer nimmt 1732 seinen Dienst bei Karl Alexander auf. Ab 1734 lebt und arbeitet er in der Residenzstadt Stuttgart. In der Münzgasse befindet sich sowohl sein Arbeits- als auch Wohnort. Von 1724 bis 1736 befindet sich hier die Münze.Oppenheimer nimmt 1732 seinen Dienst bei Karl Alexander auf. Ab 1734 lebt und arbeitet er in der Residenzstadt Stuttgart. In der Münzgasse befindet sich sowohl sein Arbeits- als auch Wohnort. Von 1724 bis 1736 befindet sich hier die Münze.

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© Aus: Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten im Bild, Stuttgart 1951.

Turmstraße 1, um 1900

Die Münze zieht später von der Münzgasse zum Bärenplatz (ab 1811 Dorotheenplatz), wo sich heute die Markthalle befindet. Als württembergischer Hof- und Kriegsfaktor übernimmt Oppenheimer Geschäfte für den Herzog.

1736 wird er zum Geheimen Finanzrat ernannt. In dieser Funktion soll er die württembergische Staatsverschuldung abbauen, die Hofkasse auffüllen und Finanzreformen einführen.

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© Stadtarchiv Stuttgart

Die Münze am ehemaligen Bärenplatz, 1820.

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© StadtPalais – Museum für Stuttgart

Nach dem Umzug der Münze wurde die Münzgasse in Alte Münzgasse umbenannt. Heute heißt sie Turmstraße. In unmittelbarer Nähe befindet sich der seit 1998 so benannte Joseph-Süß-Oppenheimer-Platz.

Oppenheimer baut ein weitreichendes Geschäftsnetz aus. Es reicht von größeren Städten in Süddeutschland bis nach Berlin, Prag und Wien. In seiner Position als Finanzberater handelt er nach dem politischen Willen des Herzogs. Dieser pflegt einen engen Kontakt zu Oppenheimer, was vor allem den Landständen zuwider ist, die an Einfluss zu verlieren drohen. Tatsächlich trifft der Herzog seine politischen Entscheidungen aber selbst, gestützt auf zahlreiche Ratgeber. Als wichtigste Berater fungieren der Würzburger Fürstbischof Karl von Schönborn und der Prinz Eugen von Savoyen. Oppenheimers Rolle wird im Rückblick gerne überschätzt.

Börsenplatz

Joseph Süß Oppenheimer lebt 1736 erst in Ludwigsburg, später bezieht er das Phullische Palais in der Stuttgarter Seegasse.

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© Stadtarchiv Stuttgart

Das Phullische Palais, 1840.

Nur wenig ist über Oppenheimers Privatleben bekannt, auch über seinen Bezug zu seinem jüdischen Glauben. Schon vor seiner Tätigkeit in Stuttgart führt er das Leben eines unverheirateten jungen Mannes mit engen Kontakten zu Höfen. In Frankfurt konnte er sogar eine Wohnung außerhalb der „Judengasse“ anmieten – ein Zeichen für den Erfolg seiner Karriere als Finanzberater und Hoffaktor.

Anfang des 19. Jahrhunderts befand sich im Gebäude des Phullischen Palais das Katharinenstift. Im zweiten Weltkrieg wird es zerstört. Am heutigen Börsenplatz sind keine Spuren der Vergangenheit mehr zu entdecken.

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© StadtPalais – Museum für Stuttgart

Marktplatz

Völlig unerwartet stirbt Herzog Karl Alexander am 12. März 1737. Noch in derselben Nacht wird Joseph Süß Oppenheimer festgenommen. Für die vom Herzog initiierten unliebsamen Reformen und die versuchte Entmachtung der Landstände wird Oppenheimer stellvertretend in die Verantwortung genommen. Dass er jüdischer Abstammung ist und intensiven Kontakt zum Herzog pflegt, macht ihn zum „Sündenbock“. Kurze Zeit nach dem Tod Karl Alexanders ernennt der neue Regent Carl Rudolph, der nur ein Jahr im Amt bleibt, ein Spezialkomitee zur Untersuchung des Falls Oppenheimer, bestehend aus sechs Juristen.

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© Graphische Sammlung am Kunsthistorischen Institut der Universität Tübingen

Herzog Carl Rudolph, vor 1767.

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Drei dieser Juristen sind bereits einige Jahre zuvor in das Verfahren gegen die Geliebte des früheren Herzogs Eberhard Ludwig, Wilhelmine von Grävenitz, involviert. Die aus Mecklenburg stammende Grävenitz lebt seit 1706 in Stuttgart. Sie ist nicht nur Geliebte, sondern auch politische Vertraute des Herzogs und hat Einfluss auf ihn. Später wird ihr diese Rolle zum Verhängnis und sie wird angeklagt. Die Verfahren gegen Grävenitz und Oppenheimer weisen viele Ähnlichkeiten auf: Sie finden beide in Württemberg statt, richten sich gegen ein einflussreiches Mitglied des Hofs und weisen eine ähnliche Liste an Anschuldigungen auf. Somit werden wohl nicht ohne Grund drei Juristen, die im Grävenitz-Fall Erfahrungen sammeln konnten, auch im Verfahren gegen Joseph Süß Oppenheimer eingesetzt. Herzog Carl Rudolf weist die Kommissare an, den Fall zu einem schnellen Ende zu bringen.

Die Kommissare wenden viel Zeit und Mühe auf, um einen Fall gegen Oppenheimer systematisch aufzubauen. Noch vor Abschluss der Untersuchungen haben die Kommissare eine vorgefasste Meinung zu Oppenheimers „Schuld“, die sie gezielt untermauern. Im damaligen Landesgefängnis auf der Burg Hohenneuffen verschlechtert sich der Gesundheitszustand des noch nicht mal 40-jährigen zusehends.

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© Hauptstaatsarchiv Stuttgart

Festung Hohenneuffen, 1683.

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© Landesmedienzentrum Baden-Württemberg

Festung Hohenasperg, 1643.

Zwei Monate später wird der Gefangene auf die Festung Hohenasperg verlegt. Um den Prozess zu beschleunigen, erlaubt Carl Rudolph die Anwendung von Folter. Bereits während des laufenden Verfahrens werden Teile des Besitzes von Oppenheimer versteigert, um die Verfahrenskosten zu decken. Oppenheimer bekommt einen Pflichtverteidiger, den Tübinger Juristen Michael Andreas Mögling. Dessen Verteidigungsschrift wird während des Prozesses kaum beachtet. Die Kommissare versuchen, ihr längst festgelegtes Urteil mit Fakten zu belegen. Widersprüche werden dementsprechend ignoriert.

Der 12. Januar 1738 ist der erste Gerichtstag im Herrenhaus am Stuttgarter Marktplatz. Vier Wochen lang beraten die Anwesenden über das Urteil hinter verschlossenen Türen. Die Kommissare werfen Oppenheimer unter anderem vor, sich gegen den württembergischen Staat verschworen und Geld veruntreut zu haben.

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© Stadtarchiv Stuttgart

Joseph Süß Oppenheimer wird vom Herrenhaus am Marktplatz zur Hinrichtungsstätte gebracht, 1738

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© Universitätsbibliothek Tübingen

Kommissar Friedrich Phillip Jäger, nach 1745.

In seiner abschließenden Rede konstruiert der Tübinger Kommissar Friedrich Philipp Jäger „Jud Süß“ als eine fiktive Persönlichkeit, jenseits einer existierenden Faktenlage. Hier wird das Stereotyp des „jüdischen Betrügers“ bedient, das später auch in allen medialen Darstellungen auftaucht. Jäger stützt sich nicht auf historische Fakten zur Person Joseph Ben Issachar Süß Oppenheimers, sondern auf Gerüchte, Halbwahrheiten und Lügen. Am finalen Gerichtstag wird das zuvor schon konstruierte Todesurteil für Oppenheimer gesprochen.

Das Herrenhaus am Marktplatz, in dem die Gerichtsverhandlung stattfand, wird im 15. Jahrhundert erbaut. Darin befinden sich auch Gerichtsräume. Vier Jahrzehnte nach dem Scheinprozess gegen Oppenheimer zieht die Herzogliche Öffentliche Bibliothek ins Herrenhaus. 1820 wird das Gebäude abgerissen.

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Wolframshalde

Die Hinrichtung Oppenheimers am 4. Februar 1738 auf dem Galgenberg im Norden Stuttgarts ist ein Massenspektakel. Im Todesurteil lauten seine angeblich begangenen Verbrechen: „an Herren und Land verübte verdammliche Mißhandlungen“.

Oppenheimer findet während seiner Haftzeit zum jüdischen Glauben zurück. Zum Christentum will er trotz mehrfacher Versuche durch Geistliche nicht übertreten. Unmittelbar vor der Hinrichtung spricht er das jüdische Glaubensbekenntnis. Die Hinrichtung wird zum Spektakel für tausende von Schaulustigen. Nachdem Oppenheimer am Galgen von einem Henker erdrosselt wird, stellt man seinen Leichnam in einem daran befestigten Käfig aus. 1742, erst sechs Jahre später, beim Amtsantritt von Herzog Carl Eugen, wird der Käfig mit dem Leichnam heruntergenommen.

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Flugblatt, 1738.

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© Haus der Geschichte Baden-Württemberg

Unmittelbar vor und nach seiner Hinrichtung wird Oppenheimer in Flugblättern und Schmähgedichten verhöhnt. Oft wird darin seine jüdische Religionszugehörigkeit als Grund für seine vermeintlichen Verbrechen dargestellt. Die antisemitische Kunstfigur des „Jud Süß“ hält sich über Jahrhunderte aufgrund zahlreicher Darstellungen in den Köpfen der Menschen. Wilhelm Hauff verarbeitet im 19. Jahrhundert die Geschichte von Joseph Süß Oppenheimer erstmals literarisch. Es folgt der Roman „Jud Süß“ von Lion Feuchtwanger.

1940 verfilmt Veit Harlan die Geschichte Oppenheimers im NS-Propagandafilm „Jud Süß“. Darin kulminieren die antisemitischen Stereotype, die bereits im 18. Jahrhundert maßgeblich für die Ermordung Oppenheimers waren. Zu keinem Zeitpunkt wird der Gerichtsprozess in Frage gestellt. Erst im 20. Jahrhundert wird versucht, die Unrechtmäßigkeit des Falles Oppenheimer kritisch zu hinterfragen und aufzuklären. Der Zugang zu den historischen Quellen wird erst 1918, nach Ende der Monarchie, möglich. Die erste wissenschaftliche Biografie Oppenheimers verfasst die deutsch-jüdische Historikerin Selma Stern im Jahr 1929.

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© Haus der Geschichte Baden-Württemberg